Sonntag, 4. Januar 2015

Nach keiner wahren Begebenheit

„Es ist so kalt...und so still“, sagt er mit der Stimme eines erwachsenen Mannes und dem Staunen eines kleinen Kindes.
Sie gehen durch den leise fallenden Schnee, der den zu ihren Füßen mehrt.
Winter. Kälte. Stille.
„Du bist so still“, entgegnet er und traut sich nicht zu sagen, dass er manchmal auch denkt, er wäre kalt.
„Du sprichst nie von dir, nur in deinen Geschichten und selbst dort nicht offen“.
„Ja“, sagt er und er weiß, dass es eines dieser Jas ist, auf die ein Aber folgen müsste, aber wenn er nicht schreibt, dann stottert er, findet nicht die richtigen Worte, verzweifelt sogar.
„Aber...?“, wird er natürlich gefragt.
„Nichts“, sagt er.
Aber er hat ein zu großes Problem damit, als das er es sagen könnte. Es geht weder mit ihm, noch ohne ihn und das ist es, was ihn stiller macht als sonst.
Schweigen. Stilles Schweigen, in dem man die Schneeflocken fallen hören könnte, wären ihre Schritte und ihr Atmen nicht zu laut.
„Wohin gehen wir?“, fragt er.
„Dorthin.“ sein Finger weist durch das Schneetreiben auf die grade noch erkennbare Ecke der Straße.
Man sieh,  wie sich ein eleganter schwarzer Mantel und eine große braune Jacke dorthin bewegen.
Zur Ecke von einem Hinterhof.
Hand in Hand.
„Warum schreibst du immer traurige Geschichten über die Liebe?“, fragt er ihn.
„Weil die Liebe traurig ist“, antwortet er.
Die beiden Jacken verschwinden im Hinterhof.
Und dort warten seine alten Freunde schon auf ihn und den Ausländer.

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Es scheint wie im Märchen.
Wenn man den Hasen und den Igel so sieht, könnte man denken, sie hätten einen guten Draht zueinander.
Was viele dabei vergessen, ist dass Zäune oft auch aus Draht bestehen.
Der Zaun, der da zwischen ihnen steht, ist kein freundlicher aus Holzlatten.
Ein Maschendrahtzaun, er erinnert an ein Gefängnis.
Schon immer, seit der Grundschule, ist der Hase schneller, als der Igel.
Der Igel erträgt es.
Er kauft sich Kajal, er findet sich ab, man könnte denken er hat aufgegeben.
Er beteiligt sich nicht an diesem Rennen.
Der Hase findet gut, dass der Igel sich unterscheidet.
Er fühlt sich verantwortlich, weil der andere schlechter ist, als er.
Sie hören die gleiche Musik, haben die gleichen Freunde, den gleichen Käse im Kühlschrank.
Sie beide haben Abitur.
Der Hase mit der Goldkette, der Igel mit einem Loch im Ohr.
Der Igel gerade so, der Hase mit Bestnote.
Sie verlieren sich aus den Augen.
Die letzten werden die ersten sein, denkt sich der Igel.
Es soll alles wie im Märchen sein.
Zehn Jahre später. Und Hase und Igel sind immernoch die gleichen, der Igel jetzt im Anzug, der Hase nur im Hemd.
Und der Hase schaut den Igel an.
Mit großen Hasenaugen.
Der Hase weiß, der Igel war höchstens ab und an ein bisschen schlauer als er,
nie genug für diese Ungerechtigkeit
Der Igel weiß, dass ein bisschen manchmal ausreicht, wenn man kämpft.
Sie beide Wissen, dass sie um einen Zaun rennen.
Ich weiß, dass wenn sie nicht bald sterben, dann rennen sie für immer.

1 Kommentar:

  1. Das Ende von dem ersten Text hat mich sehr überrascht. Hab ich so noch nie gelesen. Coole Idee.

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