Sonntag, 11. Januar 2015

Trauermarsch

Ich laufe mit im langen Zug der Trauer um Menschen, die ihr leben lassen mussten.
Du läufst mit beim Trauermarsch für Frankreich.
Er läuft auch.
Sie läuft.
Wir laufen.
Ihr lauft.
Sie laufen.
Ich Laufe mit, weil ich der Meinung bin, dass kein Menschenleben es verdient, geächtet oder vernichtet zu werden.
Du läufst mit, an meiner Seite. Und auch du willst nicht, dass Menschen sterben.
Er läuft mit, auch wen er findet, dass die Karikaturen oft geschmacklos waren.
Sie läuft mit, an seiner Seite. Und auch sie will nicht, dass Menschen geächtet werden.
Wir laufen mit bei unserem eigenen Trauermarsch durch unsere Köpfe. 
Aber das ist nicht das Problem.
Ihr lauft. Aber nicht in euren Köpfen, sondern auf der Straße, bildet einen großen Zug an Menschen, von denen viele wirklich trauern. 
Und das ist auch nicht das Problem.
Sie laufen. Neben euch, mit euch. Aber sie trauern nicht. 
Sie sind zufrieden , denn sie haben Beweise.
Sie können jetzt den Menschen noch besser Angst machen.
Besser davon ablenken, wer schuld an fehlenden Arbeitsplätzen ist. 
Denn es sind immer die schuld, die nichts haben. 
Nie die, die sich in ihren Millionen verzählen.
Sie laufen also ihren großen Trauermarsch.
Ihr lauft mit und seid überzeugt, dass Menschen, die trauern keine Unmenschen sein können.
Wir laufen in unseren Köpfen. Unseren eigenen Trauermarsch.
Sie weiß wofür.
Er weiß wofür.
Du, auch und du weißt, das dass ein großer Unterschied zwischen unseren Köpfen und Dresden ist.
Ich Laufe auch. Und ich trauere auch. Nicht nur um Frankreich.
Denn ihr habt mir etwas genommen.
Wir alle, ich und ihr, wir müssen uns nicht mehr für die Fehler unserer Eltern und Großeltern schämen. 
Vielleicht aus ihnen lernen.
Wir müssen uns nicht schämen, deutsch zu sein. Aber auf diesen Ansatz habt ihr etwas aufgebaut, was den Fehlern der Generationen vor uns erschreckend ähnlich ist.
Ihr habt mir etwas genommen, denn jetzt schäme ich mich dafür, in Sachsen zu leben.
Dort, wo es mehr Pegida und weniger Gegendemonstranten gibt... und die wenigsten Ausländer.
Ich schäme mich. Für euch.

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Lieber Ausländer,
Ich weiß, du willst mich nicht in die Luft jagen oder erschießen.
Ich weiß, du hast vermutlich kaum eine Wahl, denn vielleicht flüchtest du vor Bomben und Gewehren.
Doch wenn sie ein wenig besteht, diese Wahl, dann bitte ich dich - komm nicht hierher.
Es gibt wohl bessere Orte für dich als Deutschland.
Deutschland ist ein reiches Land mit vielen beneidenswerten Errungenschaften und unglücklichen Menschen.
Seit Jahrhunderten suchen sich die Menschen hier Schuldige für ihre eigenen Probleme.
Und es tut mir leid, wenn ich hier Menschen mit Unmenschen in einen Topf geworfen habe, aber das Gleiche passiert hier mit dir. 
Kriminelle Ausländer. Wirtschaftsflüchtlinge.
Du musst verstehen, die Deutschen sind keine Unmenschen. 
Sie gehen für die richtigen Probleme auf die Straße. Endlich.
Sie beschuldigen nur die Falschen.
Manchmal, da denke ich, wenn kleine Menschen bemerken, dass sie eine große Stimme haben, dann setzten sie diese ein. Egal wofür.
Und es ist gut, dass es hier erlaubt ist, seine Stimme zu erheben.
Es ist ein Privileg.
Nur denke ich, auch wenn ich selbst nicht gut darin bin, dass wir erst denken sollten, bevor wir reden. 
Vielleicht sollten wir verstehen, dass du nicht unsere Kultur zerstören willst, sondern einfach ein Zuhause brauchst.
Vielleicht sollten wir uns damit abfinden, dass der Wandel der Zeit eben Veränderungen bringt.
Ich möchte nicht in den deutschen Topf Kartoffelsuppe geworfen werden.
Vielleicht möchte ich auch einmal Deutschland verlassen, weil ich anderswo ein schöneres Leben in Aussicht habe.
Dann bin ich ein Wirtschaftsflüchtling. 
Mein Rat ist vermutlich feige, aber wenn wir pragmatisch denken, ist es wohl der richtige.
Die Entscheidung zu treffen, dein Land zu verlassen, war nach meinem Wissen sehr schwer.
Und ich entschuldige mich für mein Land, dafür, dass es eine so schlechte Heimat ist.
Es tut ja sonst keiner.

2 Kommentare:

  1. Ich finde die Texte echt gut, aber nächste Woche würde ich mich riesig über etwas lustiges oder zumindest etwas positiveres freuen.

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